Nikolai Vogel: Discovery One

Rede zur Ausstellungseröffnung "I love no waiting, Discovery One" am 4. April 2008, Sonoris Causa, München
 

DISCOVERY ONE

Den Anfang wollte ich eigentlich aufnehmen. Also die letzte Rede. Die Kick-off-Rede. Auf Diktiergerät. War alles da. Alles vorbereitet. Aber der Anfang ist ja oft so schnell, dass er alles überholt. Dafür lief die Bandmaschine, lief die "Große ungeordnete Aufzählung" fast eineinhalb Stunden mit ins allgemeine Gespräch, mischte sich hinein ins Getümmel und das Blättern in den Katalogen. Der Anfang ist gemacht und heute sind Bilder hier. Vom Sockel geholt. Von Claudia Göcke. Von Sebastian Pöllmann. Von Silke Markefka.

Eine Begrüßung gab es auf der ersten Rede - ohne sie zu wiederholen, begrüße ich Sie heute wieder. Liebe leise und laute Gäste, liebe Erwartungsfrohe und Schaun-ma-Mals: Herzlich Willkommen, gut, dass Sie da sind!

Die Rede vom letzten Mal ist also nicht hier auf dem Band, dafür zeichnete das Diktiergerät dann den Trubel danach auf, ein Durcheinander-Sprechen, ein Mitteilungsdrang, eine Freude mit Freunden. Die jetzt erneut besprochen wird.

Oft kann man diesen Reden ja nur ungenau folgen, weil einem dabei selbst soviel anderes durch den Kopf geht, dem man nebenbei lauschen muss. Deshalb unterbreche ich. Sagen Sie was: ... - Und Sie auch ... - Auch Sie, wenn Sie wollen ... - Und Sie dürfen auch ...

Nicht nur ein Gag! Es geht um diese Stimmen. Um das, was uns dazu einfällt, wenn wir etwas ansehen, wenn wir etwas in unsere Wahrnehmung nehmen. Richtig - man muss es nicht in Worte fassen!

Die Kritik macht das bisweilen vergessen, dass Kunst eben das ist, was unsere Wahrnehmung wieder durchbläst, wieder neu scharf stellt und aus dem "Kenn ich schon" rausholt. Es geht nicht um schlaue Worte, um gelehriges Zitieren und elaborierten Kunstdiskurs, der seine Fremdworte tanzen lässt wie Zirkuspferde (und bei den Pferdenummern im Zirkus habe ich mich eben immer so gelangweilt, als Kind - ich war immer mehr für die Trapezkünstler oder die traurigen Clowns - die, die zu viel und zu lustig herumfuchtelten konnte ich nicht ausstehen, da kam ich mir immer verarscht vor, für nicht voll genommen, so als könnte man den Kindern alles andrehen - aber die schauen doch oft am genauesten, wenn sie nicht gerade mit Wachsen beschäftigt sind ...) - der seine Fremdworte also tanzen lässt, um nichts sagen zu müssen, um sich dem, was man halt so sagt auf diesen Anlässen, anzuschießen.

Sehen Sie sich diese Räume an. Dies ist keine Galerie. Wir haben unsere Bilder dazwischengehängt. Nichts weiter verändert. Wir wollen wissen, wie das ist, wenn der Schutz der weißen Wände fehlt, wenn die Bilder nicht behütet sind im Kunsthort. Wir mögen Galerien. Wir mögen weiße Wände. Aber weiße Wände alleine machen keine Kunst.

"Sonoris Causa". Des Lärmes wegen. Die Künstler haben sich immer gestritten und streiten sich noch heute, über den Vorrang der Künste. "Die Malerei" sagen dann die Maler. "Nein, die Musik", die Musiker. "Von wegen, die Literatur", die Dichter. Und dann kommen gar noch die Denker, die Philosophen und erdreisten sich: "Die Philosophie ist das Größte, das Höchste, die Kunst nur eine Vorstufe". - "Das was ich mache, das ist das Tollste", versuchen alle zu behaupten und wirken dabei wie die Kinder, die sich im Sandkasten um die Schaufel streiten. Doch leider kommen dann meist nur Tränen und Rotz, die fantastische Burg ist nicht so leicht erbaut.

Wir sind heute in einer Musikschule. Wer Musik machen will, muss lernen. Hoffen wir, dass die Schüler wirklich wollen. Dass sie nicht nur einer von den Eltern geglaubten Konvention unterworfen werden. Und hoffen wir, dass Sie, liebe Gäste, heute hier sind, weil sie wirklich Lust haben zu schauen, weil es etwas zu entdecken gibt, heute und morgen. Danach machen wir uns auf, nach Alpha Centauri, Landung am 2. Mai. Da sehen wir uns wieder - sagen Sie es auch denen, die wir gerade nicht sehen -, aber zunächst sehen wir uns hier heute und morgen, sehen uns an oder aneinander vorbei - in die Bilder.
 

Nikolai Vogel
am 4. April 2008

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